Etwas zu ›Der Gang zu jenen Höhn‹

Samstag, 11. Juli 2020

Inzwischen habe ich den neuen Band von Wollschlägers ›Schriften in Einzelausgaben‹ vorliegen und kann etwas zum Inhalt sagen (ein detailliertes Inhaltsverzeichnis findet sich in der Hans-Wollschläger-Bibliographie). Mit 440 Seiten ist er einer der umfangreicheren Bände der Werkausgabe. Er enthält nicht nur Texte, die man vermutlich schon kennt und in anderer Form besitzt (›Wiedersehen mit Dr. F.‹, ›Die Instanz K. K.‹ oder ›Am Ende eines »Weltalltags«‹), sondern auch eine Reihe von Arbeiten für Zeitungen und Zeitschriften, die bislang noch nicht in Buchform vorlagen. Schön, dass diese Texte jetzt in einer leicht erreich- und zitierbaren Ausgabe verfügbar sind.

Der Band stellt, so der Klappentext

die private und gänzlich subjektive Literaturgeschichte des Autor und besessenen Lesers Wollschläger vor

aber eine wie auch immer geartete »geschlossene Darstellung« darf man hier nicht erwarten (was bei einem Autor wie Hans Wollschläger, der anscheinend eine heilige Scheu davor hatte, etwas »abschließend« zu formulieren und dessen Denken im permanenten Fluss war, auch nicht wirklich überrascht).

Zu den beiden Wollschläger prägenden Autoren Arno Schmidt und Karl May liegen bereits Bände in der Werkausgabe vor – wenn auch speziell zu Karl May leider immer noch gar nicht mal so wenig kleinere und nicht ganz so kleine Texte fehlen –, ›Der Gang zu jenen Höhn‹ versammelt nun Texte zu einigen anderen Autoren.

Der größte Teil des Bandes – nämlich rund 150 Seiten – widmet sich Friedrich Rückert, rund 70 Seiten gehören James Joyce, jeweils rund 50 Seiten beschäftigen sich mit Karl Kraus und Thomas Mann. Auf den restlichen 120 Seiten geht es um Jean Paul, E. T. A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Friedrich Nietzsche und John Miltons ›Lost Paradise‹ bzw. dessen Rezeption. So unterschiedlich die Anlässe, so ähnlich sind sich doch alle Arbeiten in der Grundstruktur, immer münden sie, durchaus typisch für Wollschläger, im Großen Ganzen und deuten weit über den konkreten Gegenstand hinausweisende Überlegungen an.

Mit dabei sind mit ›»The Man that was Used up«‹ und ››Ecce Homo‹ – Zur Krankheit Friedrich Nietzsches‹ auch zwei recht frühe Texte, die seinerzeit in ›Lynx‹ erschienen sind und seither eher nur als Gerücht kursierten. (Von ›Lynx‹ war für Herbst 2019 ein Reprint angekündigt, aber daraus ist bislang wohl nichts geworden.)

Zu ›»The Man that was Used up«‹ schrieb Wollschläger am 4. November 1965 an Arno Schmidt:

Anbei nun zwei Skripte zu POE –: einmal meine Anmerkungen zu Schuhmann’s Apparat – und dann das von Müller geforderte ›Nachwort des Übersetzers‹: ich habe es bei halber Betäubung und mit entsprechender Reizbarkeit hingetippt und bin unsicher, ob es so akzeptabel ist –: wenn nicht, rufen Sie bitte ohne Rücksicht Ihr entscheidendes ›Nein!‹
Briefe IV, S. 746

Ein »entscheidendes ›Nein!‹« rief Schmidt zwar nicht, er riet aber dennoch unmissverständlich ab. Das Nachwort sei zwar »nicht schlecht«, aber:

hinter einer POE-Ausgabe-selbst natürlich etwas olalá. Dergleichen plaziert man, (zumal wenn der (durchaus berechtigte!) Überdruß des philmonadigen Übersetzers so unüberhörbar zum Ausdruck kommt), doch besser–richtiger–gerechter in einer kleinen Rundfunksendung, oder einer großen Zeitung: der bloße räumliche Abstand vom Buche–selbst, bringt sofort Alles ins gleiche.
Briefe IV, S. 750

Liest man den nun bequem vorliegenden Text, leuchten Schmidts Bedenken sofort ein, formuliert Wollschläger hier doch scharfe Kritik an Poes Stil, die er zuvor in Briefen an Schmidt vorbrachte (vgl. hier etwa Wollschlägers Brief vom 21. Dezember 1964, Briefe IV, S. 716–721) und die als Nachwort einer Poe-Ausgabe nun wirklich »etwas olalá« gewesen wäre.

Die in diesem Band erstmals veröffentlichen Notizen ›Entering Finnegans Wake‹ bieten grundsätzliche Überlegungen zur Frage, was einen »modernen Roman« ausmache, bei denen auch das Spätwerk Arno Schmidts am Rand erwähnt wird. Lesern Wollschlägers wird der Text zwar neu sein, aber dennoch vertraut vorkommen, finden sich die hier vorgebrachten Punkte doch auch in der ein oder anderen Form verstreut in anderen Texten und Interviews Wollschlägers.

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